Eine Ode an die Scheibe

Beginnen möchte ich meine Geschichte mit einer Danksagung. Dank an William Russel Frisbie für die Idee seine Kuchen in Pie-Tins zu verkaufen und einen noch größeren Dank an Walter Frederick Morrison der schon großes Gefallen daran gefunden hat, die Kuchenteller durch die Gegend zu werfen, aber vor allem das Potential in dem Wurfgerät gesehen und dieses weiterentwickelt hat. Von dem ersten „Pluto-Platter“ bis zur heutigen Freestyle, Discgolf, Ultimate, Guts, DDC, MTA, TRC oder DogDisc-Scheibe war es ein langer und steiniger Weg und ich möchte einfach allen Beteiligten für ihre Mühe und ihre Energie danken, ihr habt mein Leben bereichert und das nicht zu knapp!!

Auch mein Weg zur Scheibe war lang und steinig, im Nachhinein betrachtet VIEL zu lang. Schon sehr früh habe ich gemerkt, dass mir Ballsportarten irgendwie nichts bringen. Mein Spitzname für viele Jahre war „Pfosti“ da meine einzige Fußballfähigkeit darin lag, während des Spiels vor dem gegnerischen Tor zu stehen und auf einen Pass zu warten, den ich dann in zwei von 100 Fällen irgendwie reingedrückt habe. Höchstwahrscheinlich stand ich dabei immer im Abseits, aber die Regel habe ich bis heute nicht wirklich geschnallt.

Eines Tages wurde mir von meinem Onkel ein Bumerang geschenkt und meine Liebe und Leidenschaft für Flugspielzeug war geweckt. Da der Garten meines Elternhauses zu diesem Zeitpunkt an ein großes Rapsfeld grenzte, gab es eigentlich genug Platz zum Spielen. Vier Bumerangs später hatte ich den Kniff dann auch raus und die Dinger kamen tatsächlich zu mir zurück und verschwanden nicht auf „nimmer wiedersehen“ in den Tiefen des Raps. Dann passierte lange nichts bis mir eines Tages die Sparkasse ein Geschenk zum Weltspartag überreichte…es war eine Frisbee, meine erste…und schlimmste! Der olle Campingteller flog zwar ein paar Meter, es hatte aber nichts mit Präzision, Berechenbarkeit oder Flow zu tun. Manchmal flog der Deckel, manchmal nicht, meistens eher nicht. Zu dieser Zeit vernahm ich eine innere Stimme die mir sagte: „es gibt noch mehr im Scheibenuniversum, halt die Augen auf und fang an Bier zu trinken!“ Das mit dem Bier hat eigentlich ganz gut funktioniert, eine Ausdehnung des Scheibenuniversums war allerdings nicht zu erkennen. Einige Jahre später zog es mich aus der beschaulichen Heimat in die große Stadt und mein Wahlveedel Nippes zeigte mir, wonach ich solange gesucht hatte, dass Scheibenuniversum 2.0!

Eines Tages saß ich mit meinem WG-Bewohner im Nippeser Tälchen und erspähte zwei Mitvierziger die sich eine Scheibe zuwarfen. Allein die Scheibe machte mich neugierig, da sie viel größer war als der bekackte Tuppadeckel von der Sparkasse und man mit ihr wirklich weit und sehr präzise werfen konnte. Als dann der Mitvierziger Nummer 1 auch noch einen Sidearmwurf vollzog, war es um mich geschehen, ich war angefixt. Als wir die beiden ansprachen, war die allererste Aussage „kauf dir ne ORDENTLICHE Frisbee, alles andere kannst du vergessen!!!“, eine Aussage die mehr Wahrheit als ein Preisschild im NETTO in sich birgt. Als „vertrauensvoller“ Laden wurde mir der Pattevugel in Köln empfohlen und bei meinem ersten Besuch wurde mir sofort klar, dass ich hier eine neue Heimat gefunden hatte. Nach kurzer Überlegung hatte ich mich für eine schwarze Innova Pulsar, oder wie ich sie nannte „die Black Mamba“ entschieden und wir sind sehr gut Freunde geworden.

Jetzt hatte ich zwar das richtige Equipment und den nötigen Ehrgeiz, aber es fehlte an Phantasie. Hin- und herwerfen war ja ganz lustig und der Sidearm klappte auch relativ schnell, dann war es das aber auch. Die Tage gingen ins Land, bis mir mein damaliger Arbeitskollege Markus eine CD mit den Worten „ich hab hier einen Film für dich“ überreichte. Die Worte „Zen, And the art of Frisbee“ sagten mir noch nichts, rückblickend hätte ich den Streifen sehr gerne 10 Jahre früher gesehen, denn er zeigt sehr eindrucksvoll, was man mit einer Freestylescheibe alles anstellen kann und gibt hilfreiche Tips zur Umsetzung in freier Natur, ein MUSS für jeden Scheibenfanatiker! Ich habe den Film mittlerweile bestimmt 40-mal gesehen und bis zu meinem Lebensende werden sicherlich noch weitere 40-male hinzukommen. Die Umsetzung vom Film in die reale Welt war jedoch deutlich schwerer als gedacht, aber ich hatte zumindest Ziele die erreicht werden wollten. Um diese Ziele schneller zu erreichen, wurde die Gruppe größer und wir spielten fast regelmäßig in Kölner Parks. Eines Tages, ich spielte mit Jones am Kölner Fernsehturm, kamen die Kölner Freestyler in den Park, packten ihre Scheiben aus, klebten sich ihre Nägel an (zu dieser Zeit hielt ich das noch für latent schwule Gruppendynamik) und starteten das Spektakel. Die Aktionen auf einem Fernseher zu sehen ist eine Sache, Live eine ganz andere. Ich weiß noch genau, dass ich wie erstarrt auf der Wiese saß und mich nicht traute meine Scheibe auch nur anzufassen, aus Angst den Flow der anderen zu stören. Jones allerdings fasste sich ein Herz und quatschte die Jungs an. Wir wurden mit sehr offenen Armen empfangen und die Gruppe freute sich darauf „Frischlinge“ anzulernen. Dieser Tag läutete eine ganz neue Ära ein, denn wenn einem die kleinen Fehler, die alles so schwierig machen, direkt ausgetrieben werden, ist Freestyle eigentlich gar nicht soooo schwer, zumindest nicht für Jones . Also übten wir, besser gesagt, wir spielten intensiver und kontrollierter und ich stellte fest, dass ich ziemlich bald an meine körperliche Felxibilitätsgrenze stoßen würde. Das allerdings war überhaupt kein Hindernis, denn das „jammen“ mit den Jungs und Ilka (liebe Grüße an dieser Stelle) machte einfach einen riesen Spaß und ein „behind the Back-catch“ oder einen „Chair“ kriegt wirklich jeder hin, so auch ich. Die Sympathie und Euphorie beim Zocken brachte mich der Scheibe noch näher, ich träumte von Frisbees, ich pflegte sie, ich tanzte mit ihnen….beinah hätte ich meinen Namen in „Andi Scheibe“ geändert.

Für den Kölner Sommer war ich also bestens gerüstet und in den Wintermonaten schaute ich mir einfach noch mal „Zen“ an und übte fleißig den Nail-Delay im heimischen Wohnzimmer, inkl. diverser Regalabräumungen. Dann stand ein neuer Sommer vor der Tür und meine Arbeitskollegen schenkten mir meine erste Discgolfscheibe, eine rote Innova Sidewinder (grundsätzlich eine gute Anfängerscheibe). Bestärkt durch meine, -bis dahin erlernten, Freestylewurfskillz- dachte ich, „so schwer kann es ja nicht sein, dat kleine Ding durch die Wallachei zu feuern“….FALSCH gedacht! Wirklich jeder Wurf endete nach knappen 20 Metern und die einzige und einfachste Lösung schien mir, „die Scheibe ist kaputt!“. Leicht verstört und ein wenig sauer, was mir die Kollegen da für ein Scheiß geschenkt haben, dachte ich mir, kuck doch mal bei youtube nach so was wie „Golfen und Frisbee“. Das Ergebnis hat mich fast erschlagen und ich erhielt den imaginären Passierschein ins Scheibenuniversum 3.0. Jetzt hieß die Devise „gut aufgemerkt und abgeschaut“. Ich versuchte mir mit Tutorialvideos den Sport näher zu bringen was nicht wirklich von Erfolg gekrönt war. Aber der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können, da sich Kölner Scheibenfreaks zeitgleich mit demselben Virus infiziert hatten, wurde die Gruppe wieder mal größer und mehr und mehr „Dolfer“ fanden sich zusammen um die beste Sportart der Welt zu zelebrieren. Wir tauschten uns aus, teilten Erfahrungen was Scheiben angeht und fuhren zusammen auf feste Kurse, z.B. Meinerzhagen oder Lünen. Das erste Mal auf einem Kurs werde ich NIE vergessen, es war in Lünen und der Tag hätte einfach nicht besser sein können. Auch wenn ich den Kurs, vermutlich mit +95, abgeschlossen habe, stand für mich fest „DAT IS DEIN DING!!!“ Wie schon beim Freestyle war ich begeistert, wie schön es ist, die Scheibe beim Flug zu beobachten und wenn sich dann noch ein Wurf dazwischen schummelte, der tatsächlich das geplante Ziel erreichte, hörte und sah ich vor meinem geistigen Auge einen Engelschor, der für mich eine Rap-Version von „Nothing else matters“ performte.

Es folgten Wochen und Monate voller Energie, Zuversicht und Spielfreude. Ich kaufte mir immer mehr Scheiben und bestritt meine ersten Turniere. Gesamt gesehen eine wunderschöne Zeit, die ich niemals missen möchte und die auch im Moment noch nicht ihren Zenit erreicht hat.

Wir sind im Heute angelangt und Discgolf hat sich definitiv zu meiner Passion entwickelt. Nach wie vor freue ich mich sehr darüber, einfach eine Scheibe im Park zu schmeißen, mit Nails dem Freestyle zu frönen oder mich beim 3-Disc-Juggling kaputt zu machen. Eine Frisbee verbindet einfach, was zusammen gehört, nette Menschen und der Spaß am Spiel. Die Tatsache, dass wir mit „Kettenjeklüngel e.V.“ bald als erster Kölner Discgolf-Verein tätig sind, wir vielleicht in Bälde einen Kurs in Köln bekommen und die Zahl der Dolfer stetig steigt, zeigt einfach, dass wir alles richtig gemacht haben. Discgolf MUSS in Deutschland bekannter werden, das ist mein Credo und solange ich im Stande bin eine Scheibe zu werfen, werde ich diesem immer treu bleiben. Hört sich schwer nach Lobhudellei an und genauso ist es gemeint!!

Ein fröhliches „Katsching“ an alle „infizierte“!!!

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Datum: Samstag, 10. August 2013 12:42
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5 Kommentare

  1. 1

    Kabuuuuuhhhhm! Sch(r)eib(en) Flow!!

  2. 2

    Da kommen einem die Tränchen so schön hast du das geschrieben!

  3. 3

    Neee, wat schööön! Super Beitrag

  4. 4

    ALTA,

    da haste mal echt die arbeitszeit sinnvoll genutzt..;) saugeil!! und den letzten 2 sätzen schliesse ich mich zu 110% an!!

    keep throwing!

    ralle

  5. 5

    Ernst ist das nicht!

    Ich meine, so kenn ich ihn nicht! Das hat ja richtig Tiefe und ist total ergreifend!
    Aber weil jeder so eine ähnliche Geschichte erzählen kann, geht sie einem so nahe. Mir geht es jedenfalls so, wobei in meinem Kopf andere Musik gespielt wird. Meistens jedenfalls, vor allem wenn es mal gut läuft. Wenn nicht, dann schrimmelt das so; vielleicht sollte ich meinen Musikgeschmack ändern :-))

    Vielen Dank für diese sehr schöne Ode,

    bis zum nächsten Flight
    Robert

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